In der Verfahrenstechnik kann es im Sinne der Anlagensicherheit (DIN EN 61511) erforderlich sein, dass ein Gaswarnsystem zum Einsatz kommt, um Mensch & Umwelt zu schützen. Ein Gaswarnsystem, eine Gaswarnanlage oder ein Gaswarngerät erkennt Gase und Dämpfe in chemischen- oder petro-chemischen Anlagen. In diesem kurzen Artikel wird kurz erläutert, wie im Hinblick auf die Funktionale Sicherheit bei Gaswarngeräten oder Gaswarnsystemen die Normenlage ist.
Anwendungsbereiche von Gasmess- & Gaswarneinrichtungen
Grundlegend wird mit einem Gaswarnsystem oder Gaswarngerät eine Leckdetektion und Konzentrationsmessung ausgeführt, welche bei Grenzwertverletzung eine Schutzmaßnahme auslöst. Im Rahmen der ATEX-Richtlinie kann so ein Gaswarnsystem im Rahmen des Explosionsschutzes eine Sicherheitsfunktion ausführen. Daher müssen solche Gaswarngeräte im Rahmen der Funktionalen Sicherheit SIL-fähig sein, also nach Normen zur Funktionalen Sicherheit wie z.B. IEC 61508 ausgelegt sein. Folgende Anwendungen sind möglich:
- EX-Schutz: Konzentrationsmessung von Dämpfen und brennbaren Gasen
- EX-Schutz: Inert-Überwachung durch Messung der Sauerstoffkonzentration
- Gesundheitsschutz: Konzentration von Gasen & Dämpfen sowie Sauerstoffmangel)
- Brandschutz: erhöhte Sauerstoffkonzentration
EN 60079-29-1 bis 4: Gaswarngeräte für brennbare Gase & Dämpfe
Die DIN EN 60079-29-1 ist nach ATEX harmonisiert und behandelt die Anforderungen an Bauart sowie Prüfungen und Eigenschaften im Hinblick auf messtechnische Details. Darunter fallen insbesondere der Messwert-Endbereich mit 20% der unteren Explosionsgrenze von brennbaren Gasen bzw. Dämpfen. Die DIN EN 60079-29-2 behandelt die Auswahl, Installation und Wartung solcher Systeme. Integratoren solcher Systeme (Gaswarngeräte) sind mit der DIN EN 60079-29-3 gut beraten, da dies eine Art Leitfaden zur Systemauslegung im Kontext der Funktionalen Sicherheit bietet. Die DIN EN 60079-29-4 behandelt speziell die „open-path“ Systeme und ist nach ATEX harmonisiert.
Zertifizierung von Gaswarnsystemen nach ATEX mit SIL
Gaswarngeräte sind zum einen Geräte, welche im EX-Schutzbereichen betrieben werden. Damit diese nicht selbst zur Gefahr werden, sind DIN EN 60079-29-1 und -4 unter ATEX harmonisiert. Nun können diese Geräte auch eine Sicherheitsfunktion ausführen und daher müssen diese Gaswarnsysteme „SIL fähig“ also im Sinne der Funktionalen Sicherheit behandelt und hergestellt werden. Damit ist das ATEX Konformitätsverfahren dual, EX-Eignung und EX-Schutzfunktion.
DIN EN 50104 Gaswarngeräte für Sauerstoff (Industrie)
Die produktspezifische Norm DIN EN 50104 behandelt Gaswarngeräte für Sauerstoff. Dabei werden alle spezifischen Gefahren behandelt und konkrete Anforderungen gestellt für das Anwendungsgebiet der Sauerstoffkonzentrationsüberwachung. Im Grunde ist diese Norm ein spezifischer Ableger der DIN EN 60079-29-1. Da speziell die Inertisierungsmessung als EX-Schutzfunktion behandelt wird, ist diese Norm auch unter der ATEX Richlinie harmonisiert.
DIN EN 50271 Funktionale Sicherheit für Gaswarngeräte (SIL1)
Die DIN EN 50271 ist nach ATEX harmonisiert, da diese den Anhang II (SW-Risiken) behandelt. Alle wesentliche Aspekete zur Funktionalen Sicherheit nach IEC 61508 sind für diesen Anwendungsfall berücksichtigt. Damit kann diese Norm alleine angewendet werden, um die Anforderungen für Abschnitt 10 der IEC 61508 zu erfüllen. Ein Segen für den Anwender bei der Realisierung (Entwicklung) von stationären und mobilen Gaswarngeräten. Es werden u.a. Anforderungen an Signalketten, Datenintegrität, sichere Datenübertragung, sicherer Zustand, Diagnosen für HW-Fehler, Programmablaufkontrolle mit externen Abschaltpfad (WD), Maßnahmen zur Vermeidung systematischer Fehler in Software und Entwicklungsprozess gestellt. Da im Industrieumfeld bereits Maßnahmen zum „Containment loss“ nach IEC 61511 angewandt werden, ist für solche Systeme ein SIL 1 (low demand) in der DIN EN 50271 gefordert.
Konkrete Architektur für ein Gaswarnsystem mit SIL 1 (low demand)
Funktionale Sicherheit ist kein Hexenwerk. Eine typische Sicherheitsfunktion mit einer Sicherheitskette Sensor, Logik, Aktor (Alarmsystem) kann einkanalig aufgebaut sein. Entscheidend ist die Betriebsart der Sicherheitsfunktion und der Testintervall („Prooftest“). Wenn das Gaswarnsystem genügend Diagnosefunktionen besitzt, kann eine SFF von fast 60% erreicht werden. Da die Logik meist ein Mikrokontroller ist, liegt ein Typ B Element nach IEC 61508 vor. Damit kann man mit einem jährlichen Prooftest SIL 1 erreichen. Die DIN EN 50402 erlaubt sogar bei „Betriebsbewährtheit“ und einen doppelten Prooftest (6 Monate) ein SIL 2 für ein einkanaliges Gaswarnsystem, wenn die SFF bei mehr als 60% liegt.
DIN EN 50402 Funktionale Sicherheit für Gaswarngeräte (> SIL 1)
Speziell für ortsfeste Gaswarnsysteme mit höheren sicherheitstechnischen Anforderungen nach SIL 2 oder SIL 3 sowie für den „high demand mode“ ist die DIN EN 50402 relevant. Es handelt sich um ein Tailoring der IEC 61508 für diesen Anwendungsfall. Interessant die die spezifischen Ausfallarten und Fehlermodi von Sensoren im Gasmessumfeld.
DIN EN 50270 EMV für Gaswarngeräte im Industrieumfeld
Was wäre Funktionale Sicherheit ohne eine Störfestigkeit im Sinne der Elektromagnetischen Verträglichkeit. Die DIN EN 50270 ist unter der EMV-Richtlinie harmonisiert und legt Grenzwerte für diesen speziellen Anwendungsfall fest.
Gesundheitsschutz: Messung von toxischen Gasen & Dämpfen
Die EN 45544 behandelt die Anforderungen an die Überwachung von Arbeitsplatzatmosphären durch Gaswarngeräte. Neben Allgemeinen Anforderungen im Gaswarnumfeld finden sich verschärfte Anforderungen im Sinne der Expositionsmessung. Diese Normenreihe ist quasi das pendent zur Messung von brennbaren Gasen und Dämpfen (EN 60079-29-1). Auch die IEC 62990-2 behandelt dieses Thema auf internationaler Ebene.
Anzeigebereich ist nicht Messbereich
Der Anzeigebereich ist das, was auf dem Display steht. Jedoch ist der Messbreich, der Bereich, in dem ALLE Anforderungen der Norm erfüllt sind. Randbereiche können z.B. außerhalb der Toleranz liegen. Für Expositionsmessungen nach EN 45544 ist dieser feine Unterschied von großer Bedeutung als eine „Schwellwert-Anwendung“ wie im EX-Schutz.
Weiterführende Links zum Thema:
- EG Richtlinie 2014/34/EU („ATEX“)
- Gaswarneinrichtungen und -geräte für toxische Gase/Dämpfe und Sauerstoff – Einsatz und Betrieb T 021 (DGUV Information 213-056)
- Gaswarneinrichtungen und -geräte für den Explosionsschutz – Einsatz und Betrieb T 023 (DGUV Information 213-057)
- EX Schutz FAQ der BGRCI